Die deutsche Verkehrsunfallstatistik ( s. Grafik oben – gemeldete Fahrradunfälle 2023 mit Personenschaden) für 2023 und die vorläufigen Zahlen für 2024 bestätigen den langjährigen Trend, dass der Straßenverkehr in Deutschland insgesamt sicherer wird, die Zahl der im Straßenverkehr verunglückten Radfahrer:innen jedoch steigt. Eine Ursache für den Anstieg ist, dass der Radverkehr, insbesondere die Nutzung von Pedelecs, zunimmt, ohne dass die hierfür nötige, sichere und dem Bedarf angepasste Radinfrastruktur besteht.
Während die Zahl der getöteten Autoinsasse:innen seit 2010 um mehr als ein Drittel sank, stieg die Zahl der beim Radfahren Getöteten um 17 Prozent. Im Jahr 2023 sind nach den offiziellen Zahlen 446 und im vergangenen Jahr 441 Menschen beim Radfahren ums Leben gekommen, über 90.000 Radfahrer:innen wurden jährlich in Unfällen verletzt. Insbesondere bei den Verletztenzahlen liegt die Dunkelziffer erheblich darüber, nur polizeilich gemeldete Fälle gehen in die Statistik ein. In Lüneburg hat die Zahl der jährlich gemeldeten Fahrradunfälle mit Personenschaden in den sechs Jahren von 2017 bis 2023 erschreckend rapide um fast das Doppelte auf 241 zugenommen.
Laut Unfallstatistik sind etwa zwei Drittel aller Fahrradunfälle auf Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden zurückzuführen, meist auf Kollisionen mit Autos. Diese Unfälle haben die schwersten Folgen. Bei Kollisionen mit Autos trägt in 75 Prozent der Fälle der/ die Autofahrer:in die Hauptschuld. Diese Unfälle geschehen insbesondere in Kreuzungsbereichen und Einmündungen.
Lüneburgs gefährlichste Knotenpunkte sind in der „Radverkehrsstrategie 2025“ von 2018 und etlichen Berichten der Unfallkommission identifiziert, mit dem Beitritt zum Radentscheid beschloss der Rat im Mai 2022, ab 2023 endlich die Sicherheit einer Kreuzung pro Jahr zu verbessern. Leider wurde bald deutlich, welches Gewicht der Rat diesem Bekenntnis beimisst: als die Verwaltung 2024 die Entwurfsplanung für den Umbau der Sternkreuzung präsentierte, stellten SPD, CDU und FDP die Notwendigkeit eines Umbaus plötzlich wieder grundsätzlich in Frage, sie ist nun auf frühestens 2027 verschoben und die Sternkreuzung darf Unfallschwerpunkt bleiben. Immerhin steht nun die Entschärfung der Kreuzungssituation in der Dahlenburger Landstraße – Pulverweg kurz bevor.
Auch zur Verringerung der steigenden Zahl an Alleinunfällen von Radfahrenden bedarf es eines klareren politischen Willens. Nach Polizeiangaben geht jeder dritte Alleinunfall von Radfahrenden auch auf das Konto mangelhafter Infrastruktur. Laut einer Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV), in der u.a. 8.000 Rad-Alleinunfälle in fünf Bundesländern aus 2023 ausgewertet wurden, sind gut befahrbare, sichere Radwege entscheidend für weniger Alleinunfälle: möglichst ohne Borde an den Übergängen, gut instandgehalten, frei von Laub und Schnee und mit ausreichend Abstand zu Gefahrenquellen. Lüneburg ist nicht untätig, so werden laufend mit kleinen Maßnahmen Gefahrenquellen entschärft, wie kürzlich die An der Soltauer Bahn kreuzenden Bahngleise. Etliche mithilfe der Leuphana Universität identifizierte Mikromängel wurden in den vergangenen Jahren ebenfalls eliminiert. Aber das Hauptproblem bleibt: ein Mangel an bedarfsgerechten, sicheren Radwegen, die den „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)“ entsprechen. Dem im Radentscheid formulierten Ziel, 3 km Radverkehrsanlagen pro Jahr ab 2023 ERA-konform neu- oder auszubauen, hinkt die Stadt weit hinterher. In der Diskussion um den NUMP wurde wieder deutlich, dass FDP, CDU und SPD derzeit auch wenig Interesse haben, beim Ausbau der Radinfrastruktur irgendetwas zu beschleunigen.
Die EU und die Bundesregierung haben im Rahmen der „Vision Zero“, dem Ziel von null Toten im Straßenverkehr, eine Entflechtung der Verkehre und den Bau sicherer Radwege propagiert und hierfür umfangreiche Programme und Mittel zur Verfügung gestellt. Die StVO wurde angepasst, um den Ländern und Kommunen mehr Entscheidungsspielräume zu eröffnen. Die Lüneburger Verwaltung hat Gefahrenstellen identifiziert und etliche Gutachten und Pläne erarbeitet. Wo sich der politische Wille aber weitgehend in Lippenbekenntnissen erschöpft und keine wirkliche Bereitschaft da ist, die Radinfrastruktur grundlegend zu verbessern, werden die Unfallzahlen weiter steigen.
Quellenangabe für die Grafik aus dem Unfallatlas:
Quelle: https://unfallatlas.statistikportal.de/, Datenlizenz Deutschland – Namensnennung – Version 2.0, Lizenz-URI „http://www.dcat-ap.de/def/licenses/dl-by-de/2.0, URL: http://www.govdata.de/dl-de/by-2-0
