1,5 Grad? Geht nur mit mehr Mut und ohne Angst vorm Sprung ins kalte Wasser.
Im Mai 2022 ist der Stadtrat von Lüneburg dem Radentscheid beigetreten – die beschlossenen jährlichen Ziele zur Verbesserung der Radinfrastruktur wurden bisher jedoch so gut wie gar nicht umgesetzt. Wie ernst nehmen die verantwortlichen Ratsmitglieder ihre eigene Entscheidung von vor zwei Jahren eigentlich, fragen wir uns. Dass die Umsetzung des Radentscheids im Sinne der Verkehrswende und des Klimaschutzes längst überfällig ist, müsste inzwischen doch jedem/r Politiker:in klar sein.
Der vom Rat beschlossene Maßnahmenkatalog umfasst zum Teil jährlich überprüfbare Schritte. Doch die von der Stadtverwaltung im Februar 2024 verfasste Bilanz ist ernüchternd:
- Statt des versprochenen Neu- beziehungsweise Ausbaus von drei Kilometern Radverkehrsanlagen sind insgesamt lediglich 1,2 km sichere Radwege im Sinne der festgehaltenen Kriterien geschaffen worden.
- Das Ziel, die Sicherheit einer Kreuzung pro Jahr ab 2023 zu verbessern, wurde nicht erreicht.
- Die vereinbarte Planung eines flächendeckenden Radroutennetzes bis Ende 2023 blieb aus.
- Unebenes Natursteinpflaster auf Radrouten wurde nur an der Salzstraße am Wasser saniert, eine Sanierung des Radwegs bei der Bezirksregierung ist noch in Planung.
- Die bis Ende 2024 terminierte Umsetzung des skizzierten Fahrradrings um die Altstadt wird nicht gelingen. Bisher wurden lediglich 600 Meter Fahrradstraße in der Wallstraße und der Haagestraße umgesetzt, 120 Meter sind für 2024 geplant (Bei der Johanniskirche), für die restlichen 1.800 Meter ist eine Umsetzung frühestens in den kommenden Jahren zu erwarten.
- Erreicht wurde das Ziel, mindestens 100 öffentliche Fahrradstellplätze pro Jahr ab 2024 zu schaffen, bereits 2023 wurden 94 Fahrradstellplätze errichtet.
Zielführende Vorschläge und Planungen der Verwaltung wurden zum Teil im Keim erstickt. So wurde der im Haushaltsentwurf der Hansestadt für 2023 vorgesehene Verkehrsversuch an der Soltauer Straße vom Rat verschoben. Planungen der Verwaltung zu einem Ausbau von Radwegen an der Hindenburgstraße wurden vom Rat gebremst. Die im Mobilitätsausschuss im Februar 2024 vorgestellte Planung eines rad- und fußgängerfreundlichen Umbaus der Sternkreuzung wurde von Vertretern von SPD, CDU und FDP als zu kostspielig und unnötig kritisiert.
Wer nach Vorstellung dieser traurigen Zwischenbilanz im Mobilitätsausschuss Worte des Bedauerns, den Ansatz zu einer Problemanalyse oder zu Besserungsvorschlägen erwartete, wurde enttäuscht. Stattdessen wurde seitens eines SPD-Vertreters die grundsätzliche Frage gestellt, ob die im Radentscheid formulierten Ziele überhaupt noch realistisch seien.
Als Grund für den Rückwärtsgang in der Verkehrspolitik nennen Lüneburger Politiker:innen die angespannte Haushaltslage. Damit stellen sie ihre eigene, kurzfristig gedachte Logik über die wissenschaftlich eindeutige Erkenntnis, dass motorisierter Individualverkehr und fortschreitender Klimawandel langfristig weit höhere Kosten verursachen.
Das Ziel, den motorisierten Individualverkehr zu verringern, ist im Mobilitätsausschuss kein Konsens. Allseitige Lippenbekenntnisse zu einer nachhaltigen Politik, die Zustimmung zu Radentscheid und Klimaentscheid und die Forderung der rund 8.000 Unterstützer:innen des Lüneburger Radentscheids finden in den Diskussionen und Umsetzungsbeschlüssen des Mobilitätsausschusses und des Rates keine Entsprechung. Dies empfinden wir als unverantwortlich.