You are currently viewing Es könnte so schön sein – Mut und Visionen verzweifelt gesucht

Es könnte so schön sein – Mut und Visionen verzweifelt gesucht

 

 

Zukunftsstadt Lüneburg – wie kommen wir dahin? Wer sich die Visual Utopias des “digitalen Gärtners” Jan Kamensky anschaut, bekommt einen guten Eindruck davon, was eine resiliente Innenstadt ist: aus Sicht von Klimaexpert:innen mehr und vor allem etwas anderes als die weitere Ankurbelung von Umsatz mithilfe verkaufsfördernder Eventkultur plus ein paar Sitzbänken. Eine resiliente Innenstadt nimmt auch und vor allem den Klimawandel und die Menschen in den Blick: Welche Maßnahmen sind nötig, um Aufenthaltsqualität in sich immer stärker aufheizenden Innenstädten zu gewährleisten? Wie kann der öffentliche Raum Innenstadt lebendig bleiben, wenn es absehbar weniger „Wohlstand“ und damit Konsum geben wird? Wie können, wie in Kopenhagen, kommerzielle Partikularinteressen durch eine Orientierung am Gemeinwohl ergänzt werden?

Die UNESCO hat Kopenhagen zur Welthauptstadt der Architektur 2023 erklärt. Wesentlich für die Verleihung dieses Titels ist eine nachhaltige Stadtentwicklung, die sich den klimatischen Herausforderungen auch auf unkonventionellen Wegen stellt und pragmatische Lösungen entwickelt. Reduktive Moderne, Schwammstadt und Fahrradstadt sind beispielhafte Begriffe dafür. Und auch ein weiterer wichtiger Aspekt lebenswerter Städte, der soziokulturelle, verwirklicht sich u.a. in der Stadtplanung. Ein paar kleine Beispiele: ein für alle zugängliches Areal wird auch als Schulhof genutzt (in Deutschland wahrscheinlich undenkbar) und füllt sich in den Pausen mit noch mehr Leben. Einige Funktionseinheiten eines Autoparkhauses (z.B. Treppen) können dank entsprechender Ausstattung als Fitnessstudio genutzt werden, öffentliche Plätze werden attraktiv und einladend gestaltet, um Begegnung zu ermöglichen und den Erholungswert zu steigern, kurz: die Stadt wird von den Menschen her gedacht und für die Menschen gemacht. Und klar, vieles ist auch hier noch nervig und verbesserungswürdig: vielspurige und hochfrequentierte Ausfallstraßen, Verkehrslärm, versiegelte Flächen. Unverkennbar ist aber: Kopenhagen hat sich seit langem auf den Weg gemacht. 

 

Diese Entschlossenheit bräuchte es auch in Lüneburg. Stattdessen verzögern aber übergeordnetes Recht und Vorschriften seit Jahren notwendige Maßnahmen oder ersticken sie im Keim. LokaleInteressensverbände und Parteien tun sich zudem schwer mit jedem Versuch, wenigstens auf der Ebene des Machbaren die notwendigen Antworten auf die vielleicht größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts zu finden und vor Ort und ganz konkret in die Umsetzung zu gehen. Hierzu gehört unbedingt der Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel. Die politischen Kampagnen gegen die Verlegung von Radspuren auf Fahrbahnen, gegen die längst beschlossenen Maßnahmen zum Fahrradstraßenring oder auch gegen die nachhaltige Umgestaltung des Marienplatzes (habt Ihr ihn erkannt? – das Titelbild unseres Beitrags zeigt, wie schön er sein könnte) belegen dagegen die weitverbreitete Skepsis gegenüber klimafreundlichen Innovationen. So bleiben Chancen ungenutzt.

Wenn es nach LCM und IHK ginge, sollte die kriselnde Innenstadt am besten als autogerechte Einkaufszone weiterbestehen. Schuld am unübersehbaren Niedergang, da ist man sich auch mit SPD und CDU einig, seien aber nicht etwa marktgetriebene Entwicklungen, sondern die „Radfahrlobby“ und die parkplatzvernichtende Verwaltung.

 Und wie sieht eine umweltfreundliche Mobilität der Zukunft aus? Spricht man Vertreter:innen aus Verwaltung und Politik darauf an, verweisen diese auf den gegenwärtig in der Entstehung begriffenen Nachhaltigen Urbanen MobilitätsPlan (NUMP). Abgesehen davon, dass dieser um Jahre zu spät kommt, lässt der breite Widerstand gegen notwendige Transformationsprozesse nichts Gutes ahnen. So bemühen SPD und CDU regelmäßig das Mantra „Lasst uns doch erstmal den NUMP abwarten“. Aber ist anzunehmen, dass die Parteien die Reduktion des Autoverkehrs und die Umwidmung von Parkplätzen eines Tages begeistert begrüßen werden, weil sie Teil des NUMP sind? Wohl kaum. 

Die Initiativen Unser Wasser, Klimaentscheid und Radentscheid haben gezeigt, dass Politik und Verwaltung ohne zivilgesellschaftliches Engagement nur sehr träge und zum Teil widerwillig zur Veränderung bereit sind. 

Wir bleiben dran.