Das schwindende Vertrauen in die Politik ist Thema in allen Medien. Beklagt werden Unvorhersehbarkeit, Glaubwürdigkeitsverlust und strategische Blockaden. Dass dies nicht nur ein Phänomen auf nationaler, sondern auch kommunaler Ebene ist, belegt die Lüneburger SPD mit ihrer Verkehrspolitik. Offiziell gibt sie sich in diesem Sektor als Klimaschutzpartei. Stehen aber Entscheidungen zur dringend notwendigen Verkehrswende an, attackiert die Partei im Rat Vorhaben der Grünen und der Verwaltung mit teilweise befremdlichen Argumenten. Zusammenfassend:
- Die SPD hat 2022 dem Beitritt zum Radentscheid zugestimmt, sperrt sich aber gegen die Umsetzung von signifikanten Radverkehrsmaßnahmen
- Die SPD erweckt den Eindruck, als habe sie mit geplanten rad- und fußverkehrsfreundlichen Maßnahmen der Verwaltung nichts zu tun. In irreführender Weise suggeriert sie z.B., der Umbau der Sternkreuzung sei ein spontan eingefädeltes Projekt der Grünen. Die Projekte sind jedoch nichts anderes als die Umsetzung der von der SPD in 2018 mitgetragenen „Radverkehrsstrategie 2025“
- Die SPD gefährdet mit ihrer Blockadehaltung möglicherweise die Freigabe von bereits genehmigten Fördermitteln für Verkehrswendeprojekte.
- Die SPD argumentiert gegen die Reduzierung von Auto-Parkplätzen mit der nicht zutreffenden Begründung, dass dann zu wenig Parkplätze in der Innenstadt vorhanden seien. Der wiederholte Verweis der Verwaltung auf größtenteils leerstehende Parkhäuser wird ignoriert.
- Die SPD bekennt sich nicht zu der von einer zeitgemäßen Stadtplanung geforderten signifikanten Reduzierung des Autoverkehrs. Stattdessen bemüht sie das schiefe Bild der inzwischen berühmt gewordenen Krankenpflegerin und des Einzelhandelsverkäufers, für die „die Stadt erreichbar bleiben muss“. Ein Argument, das vorgeblich soziale Gerechtigkeit einfordert. Kein Wort dagegen zur Situation der armutsbedrohten alleinerziehenden Mutter, die sich ein Auto gar nicht leisten kann und deshalb auf andere Formen der Mobilität angewiesen ist.
- Wir befinden uns in einer Klimakrise. Ungeachtet dessen befürwortet die SPD den zerstörerischen Weiterbau der A39, verniedlichend als „Lückenschluss“ bezeichnet
- Der Generalsekretär der Partei Lars Klingbeil stemmt sich gegen den von Expert:innen für notwendig erachteten Bau einer Bahnlinie entlang der A7. Die Lüneburger SPD hält die Füße still.
Vor langer Zeit hat die SPD mit dem Anspruch einer Fortschrittskoalition rot-grüne Bündnisse geschmiedet. In Lüneburg würde einer Realisierung dieses Anspruchs bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen nichts im Wege stehen. Statt diese Chance zu nutzen, bietet die Partei aber im Gegenteil eine sehr konservativ geprägte, verlockende Illusion an: dass sich an unserer Lebensweise nichts ändern muss. Ist sie womöglich getrieben von der Angst vor einem drohenden Bedeutungsverlust? Wie auch immer – Zukunftsfähigkeit sieht anders aus.