Bei der Ausarbeitung unserer Radverkehrsziele berufen wir uns immer wieder auf den aktuellen Stand der Technik. Gemeint sind damit die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) in ihrer aktuellen Fassung, die von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) veröffentlicht werden. Derzeit gilt die Fassung von 2010 aber die neue Fassung ERA 2022 steht schon in den Startlöchern.
Aus den ERA 2010 gehen die folgenden unterschiedlichen Radverkehrsführungsformen hervor. Je Ausführungsform und Verkehrssituation geben die ERA unterschiedliche Regel- und Mindestbreiten sowie Sicherheitsstreifen vor. Es wird eine einheitliche Ausführung und Markierung empfohlen.
Wie sieht es in Lüneburg aus?
Von diesen Empfehlungen sind wir in Lüneburg meilenweit entfernt. Der Regelfall ist der sogenannte Hochbordradweg (im Sinne 3.), der auf dem Niveau des Fußweges geführt wird. Die Breite beträgt häufig nur 1,00m oder weniger. An Grundstücksauffahrten und Kreuzungen ist der Radweg abgesenkt, hat aber immer noch eine harte Bordsteinkante, so dass die Fahrt auf dem Radweg ein holperiges Auf und Ab ist. Hinzu kommt der schlechte Pflegezustand. Engstellen, Schlaglöcher, Wurzelhuckel, Pfosten und Barrieren sowie häufig wechselnde Bodenbeläge machen das Fahren zur Belastungsprobe.
Die Schutzstreifen, getrennt durch eine gestrichelte Linie oder Radstreifen, getrennt durch eine durchgezogene Line, werden auf der Fahrbahn geführt. Ok, keine Berg- und Talfahrt mehr. Aber, die Streifen werden häufig von den Kraftfahrzeugen mitgenutzt. Bei den Schutzstreifen ist das sogar zulässig. Oder sie werden zugeparkt. Gerade schwächere Radfahren fühlen sich hier nicht sicher. Hinzu kommt hier ein steter Wechsel vom Hochbordradweg auf die Straße und zurück. Oder der Schutzstreifen verliert sich im nichts.
Wie könnte der gute Radweg aussehen?
Kurz gesagt: Breit, komfortabel und getrennt vom Kraftverkehr. Das Schlagwort heißt „Protected Bike Lane“ oder „Geschützte Fahrradstreifen“ (Foto oben: Changing Cities e.V.). In Braunschweig nennt man das Radweg 2.0.
Der ADFC erklärt das Prinzip so:
„Man nimmt dem Autoverkehr eine Spur weg – und legt darauf einen mindestens zwei Meter breiten, geschützten Radfahrstreifen an. Durch eine aufgemalte Pufferzone von mindestens 85 Zentimetern und eine schnell aufzubringende bauliche Barriere (Poller, Blumenkübel, Betonelemente o.ä.) schützt man die neue Radspur vor dem Überfahren und Zuparken durch den Autoverkehr. Vom Fußweg sind PBL meist durch die Bordsteinkante getrennt.“
Quelle: Pressemitteilung 022/18 vom 28.09.2018
Wie lassen sich gute Radwege in Lüneburg umsetzen?
Um solche Radwege in Lüneburg umsetzen zu können, kommt man an vielen möglichen Stelle nicht darum herum, für den Kraftverkehr Einbahnstraßen einzurichten oder Parkstreifen zu entfernen. Nur so gewinnt man den notwendigen Platz für die geschützten Radwege.
Wenn es verkehrlich doch notwendig ist, den Radweg getrennt von der Straße zu führen sollten die Anforderungen der ERA umgesetzt werden. Der Radweg sollte mindestens 2,00m breit sein, besser noch 2,30m, um auch mehrspurigen Fahrrädern genügend Platz zu bieten und ein Überholen zu ermöglichen. Die Absenkungen für Grundstücksauffahrten liegen im 50cm breiten Sicherheitsstreifen, so dass der Radweg auf gleichem Niveau geführt werden kann. Die Absenkungen an Kreuzungen erfolgen sanfter und werden ohne Bordstein gesetzt. Der Radweg besteht aus einem komfortablen und einheitlichen Belag und ist gut für alle Verkehrsteilnehmer markiert.
Ein „Weiter so“ kann es für Lüneburg nicht geben.
Die Radwege sind in einem schlechten Zustand. Sie sind zu schmal, voller Schlaglöcher und Barrieren oder enden im Nichts. Die Fahrbahnbelege wechseln häufig, es gibt Flickschusterei ohne Ende. Von einem einheitlichen Netz oder auch nur einem Konzept kann kaum die Rede sein.